Berlin-Marathon 2012 barfuß

Schon monatelang haben wir auf den Berlin-Marathon hingefiebert. Ich weiß nicht wie oft ich mit Jamie telefoniert habe und wir über Details der Vorbereitung oder Renntaktik diskutiert haben. Schließlich war bei mir 3 Wochen vorher die Luft schon ein bisschen raus, ich bin haarscharf an einer Achillessehnenreizung vorbeigeschrammt und hatte keine richtige Lust mehr auf das eigentliche Rennen.

Wie anders war es dann, schließlich doch im Startblock zu stehen und auf den Start zu warten. Als hätte die Spannung noch nicht gereicht setzte Jamie jetzt aber noch eins drauf. Genau am Eingang zum Startblock fiel im plötzlich ein, dass er seinen Chip vergessen hatte. Noch 20 Minuten bis zum Start und mindestens 500 m durchs dichte Getümmel zurück zur Gepäckaufbewahrung und dann wieder an den Start. Eine bange Viertelstunde verging, schließlich schaffte er es rechtzeitig zurück und kurz darauf ging es auch schon los.

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Jamie ist zurück am Start und entdeckt Jo in der Menge (der Typ mit dem BRS-Shirt :D)


Die knapp 40000 Läufer starteten in drei großen Wellen, die letzte etwa 15 Minuten nach der ersten. Das Feld ist trotz breiter Straßen extrem dicht, wir sollten kaum Gelegenheit haben, mehr als 1-2 Meter vor uns den Boden zu sehen, fast ganz bis zum Schluß. Die Verpflegungspunkte zu beiden Seiten der Strecke sind zwar lang und sehr gut organisiert, doch bei so vielen Läufern ist ein ordentliches Geschubse und Gerangel kaum vermeidbar. Wer Platzangst hat, ist hier richtig zur Schocktherapie.

Von einer Zeit um die 3:20 träumend hatten wir geplant, anfangs knapp unter 5 min / km zu bleiben, was uns auch für die ersten 2o km ganz gut gelang. So lange dauerte es auch ungefähr, bis wir den 3:30er Zugläufer eingeholt hatten, der ein paar Minuten vor uns gestartet war.


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Jamie (li) rennt, die Füße passen nicht aufs Bild. Aber hässliche Schuhe sind keine dran!


Dann wollten wir eigentlich das Tempo ein bisschen erhöhen, doch Jamie plagten empfindliche Fußsohlen und wir kamen aus dem dichten 3:30er Pulk nicht mehr raus. Ich hatte einen besseren Tag erwischt und lief die ganze Zeit im Flow. Mir fiel wieder ein, wie ich in den zurückliegenden Wochen keine Lust zum Laufen gehabt hatte. Ganz im Gegensatz dazu hatte ich jetzt das Gefühl, genau das zu tun, was ich wollte und voll in meinem Element zu sein. Die anfeuernden Rufe des Publikums und die Musik der vielen Trommelgruppen und Bands verschwammen zu einer Masse, in der ich kaum noch einzelne Personen ausmachen konnte. Es war mir auch egal, ich wollte nur laufen. Die Kilometer schwammen nur so vorbei, ein Idiot, der mitten durch den dichtesten Pulk sein Fahrrad über die Strecke schieben wollte und mir genau vor die Füße fuhr, konnte mich nur kurz aus dem Konzept bringen, und wie im Handumdrehen waren wir schon bei km 33, wo meine Familie an der Strecke stand um mich anzufeuern.


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Jo irgendwo auf dem ersten Drittel. Der Schein trügt, so leer wie auf diesem Bild war es fast nie, außer vielleicht vorne beim Mutai.


Die Frau geküsst, den Kindern zugejubelt und schnell weiter. Kurz danach sagte Jamie, der schon seit einer Weile nur mit Mühe an mir drangeblieben war, dass er das Tempo nicht weiter halten konnte und ich alleine weiter laufen sollte. Ich gab nochmal Gas und lief ein paar 4:40er Kilometer. Auf den letzten 5 Kilometern fingen die Beine an wehzutun und das Laufen ging nicht mehr von selbst. Ich dachte an Jamie, der schon viel früher im Rennen hatte kämpfen müssen und sagte mir, dass ich jetzt zeigen will, dass ich das auch kann. Und legte nochmal nach, als das Brandenburger Tor in den Blick kam.

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Brust raus, aufrichten, Arschbacken zusammenkneifen, nur noch ein kleines Stück, und geschafft!


Wie toll man sich dann hinterher fühlt, obwohl alles wehtut, wisst Ihr ja selbst. Später am Abend haben wir unsere Heldentaten gebührend begossen und alles haarklein ausgewertet. Ein unvergesslicher Abend für unsere Frauen! ;) (die Armen, was die alles ertragen!). Auf den Fotos, die anschließend enstanden, sieht der Schnellste von uns Dreien am beschissensten aus, Gerechtigkeit muss sein:

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Jo, Jamie und Jörn. Müde, aber glücklich.


Zum Schluß die harten Daten:
Jo 3:26:29 (mehr Bilder hier)
Jamie 3:29:59 (mehr Bilder hier)
Jörn 4:05:35 (mehr Bilder hier)

Keiner hat sich verletzt, keiner hatte Blasen, Jamie und Jörn hatten lediglich empfindliche Fußsohlen zu beklagen.

Die Strecke ist sehr gut barfuß zu laufen, allerdings ist das ein einziger Blindflug, weil es so voll ist, außer man ist extrem schnell oder extrem langsam und hat etwas mehr Platz.

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Wow! Eben erst entdeckt und nachgelesen. Klasse Leistung! Und dieses breite, glueckliche Lachen auf dem Foto im Startblock ist grossartig! Danke fuer den Bericht. :)
 

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joohneschuh
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